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Forum Versicherungsrecht am 12.12.2024: Versicherung und Haftung im Kontext der modernen Mobilität

Das vierte Forum Versicherungsrecht des Jahres 2024 fand am 12. Dezember zu dem spannenden und zukunftsweisenden Thema „Versicherung und Haftung im Kontext der modernen Mobilität“ in hybrider Form statt. 

Das Forum vereinte versicherungs- und verkehrsrechtliche Aspekte und bot so die Gelegenheit des interdisziplinären Austauschs.

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Prof. Dr. Dirk Looschelders die insgesamt rund 70 Präsenz- und Onlineteilnehmenden. 

Den Auftakt machte Herr Dr. Michael Nugel, Rechtsanwalt / Partner, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, grunewald, nugel & collegen GbR, mit seinem Vortrag zu dem Thema „Aufklärung von Versicherungsfällen durch Auslesen von Fahrzeugdaten“. Im Anschluss widmete sich Herr Dr. Dr. Hans Steege, Stellvertretender Direktor am Interdisziplinären Institut für Automatisierte Systeme e.V. (RifaS), dem Thema „Haftung beim autonomen Fahren – neue Herausforderungen durch künstliche Intelligenz?“.

Nugel eröffnete seinen Vortrag mit einer grundlegenden Einführung in die Bedeutung von Fahrzeugdaten für die Aufklärung von Versicherungsfällen. Dabei stellte er heraus, wie essenziell moderne Technologien wie der Event Data Recorder (EDR) und der EU-Ereignisspeicher für die Rekonstruktion von Unfallhergängen seien. Sie erfassten und speicherten eine Vielzahl fahrrelevanter Parameter kurz vor, während und unmittelbar nach dem Ereignis, darunter Geschwindigkeit, Lenkwinkel und Bremsaktivität, die Anhaltspunkte für die Analyse von Verkehrsunfällen lieferten.

Nugel erläuterte, dass hierzu nicht nur Bewegungs- und Diagnosedaten, sondern auch Informationen aus Steuergeräten sowie Daten aus Kameras und Infotainmentsystemen herangezogen werden könnten. Diese Daten ermöglichten es nicht nur, die genaue Abfolge eines Unfalls nachzuvollziehen, sondern auch mögliche Manipulationen oder betrügerische Schadensmeldungen aufzudecken.

Ein besonderer Schwerpunkt des Vortrages lag auf der rechtlichen Einordnung der Verwendung dieser Daten. Anhand von Gerichtsentscheidungen, etwa vom LG Bochum (Urteil vom 07.11.2016 - I 5 O 291 / 15) oder OLG Köln (Urteil vom 08.07.2020 – 9 U 111/20), erläuterte der Referent, dass Versicherungsnehmer verpflichtet seien, solche Daten bereitzustellen, wenn diese für die Klärung eines Versicherungsfalles erforderlich seien. Die Verweigerung einer Datenauslesung könne als Obliegenheitsverletzung gewertet werden.

Anschließend widmete sich Nugel den europarechtlichen Neuerungen, welche den Ereignisspeicher ab Juli 2024 für alle Neuwagen verpflichtend machten. Die verpflichtende Einführung dieser Technologie stelle einen bedeutenden Fortschritt dar, da sie Sachverständigen ermögliche, auch komplexe Unfallgeschehen zuverlässig zu rekonstruieren. Schließlich hob Nugel hervor, dass der Zugang zu Fahrzeugdaten in der Versicherungs- und Rechtswelt immer mehr an Bedeutung gewinne. 

Der erste Teil der Veranstaltung wurde mit einer Diskussion, moderiert durch Prof. Dr. Lothar Michael, abgeschlossen.

Steege widmete sich in seinem Vortrag dann den rechtlichen Herausforderungen, entstanden durch die Nutzung autonomer Fahrzeuge und die Integration Künstlicher Intelligenz und wie die bestehende Haftungsregelungen auf diese neuen Technologien angewandt werden könnten.

Zu Beginn stellte er als Grundlage der rechtlichen Einordnung die Stufen des automatisierten Fahrens vor. Darauf erläuterte er, disziplinübergreifend existiere keine einheitliche Definition von KI. Die Definition im Kommissionsentwurf der EU sei sehr weit gefasst, weshalb eine Abgrenzung zu herkömmlicher Software und eine Untersuchung der rechtlichen Auswirkungen kaum möglich seien. Der Referent hob zudem hervor, dass KI-Systeme im Straßenverkehr per Definition als Hochrisiko-Systeme eingestuft würden und strenge Anforderungen erfüllen müssten.

Im Bereich der Haftung betonte Steege, dass die Halterhaftung gemäß § 7 StVG auch für autonome Fahrzeuge uneingeschränkt gelte. Der Halter hafte verschuldensunabhängig, auch wenn das Fahrzeug durch ein KI-System gesteuert werde. Selbst bei Hackerangriffen oder anderen Fehlfunktionen greife keine Ausnahme von der Haftung. Eine Berufung auf „höhere Gewalt“ sei dabei nur in Ausnahmefällen möglich. Die Fahrerhaftung bleibe bei teil- und hochautomatisierten Fahrfunktionen bestehen und entfalle nur bei vollständig autonomem Fahren, da der Mensch hier nicht mehr als Fahrzeugführer gelte.

Ein weiterer zentraler Aspekt des Vortrags war die Herstellerhaftung, die auf der Produkthaftung (§ 1 ProdHaftG) und der Produzentenhaftung (§ 823 BGB) basiere. Hier hob Steege hervor, dass die Einbeziehung von Software neue Herausforderungen mit sich bringe. Besonders Konstruktions- und Instruktionsfehler sowie die Beobachtungspflichten der Hersteller in der Praxis könnten haftungsrechtlich problematisch werden. Gleichzeitig betonte er, dass strenge Zulassungs- und Genehmigungsverfahren entscheidende Mechanismen zur Risikominderung seien.

Abschließend verdeutlichte Steege, dass die Kombination aus Halter-, Fahrer- und Herstellerhaftung sowie verpflichtenden Versicherungen eine umfassende Risikoabdeckung gewährleiste, wodurch weder Schutz- noch Regelungslücken erkennbar seien. Er unterstrich, dass klare gesetzliche Vorgaben und Regulierungen sicherstellten, dass sowohl Halter als auch Hersteller angemessen in die Verantwortung genommen werden könnten. Eine grundlegende Anpassung des Haftungsrechts sei daher nicht erforderlich.

Der Vortrag wurde mit einer von Prof. Dr. Dirk Looschelders moderierten Diskussion beendet, woran sich ein Get-together der Teilnehmenden und Vortragenden anschloss.

Schon jetzt möchten wir Sie auf den 18. Düsseldorfer Versicherungsrechtstag am 30. und 31. Oktober 2025 hinweisen. Das nächste Forum findet am Donnerstag, den 20. Februar 2025 zu dem Thema „Künstliche Intelligenz in der Versicherungswirtschaft: Anwendungsbereiche und Rechtsrahmen.“ in Präsenz im Haus der Universität und online via Zoom statt, wozu wir Sie herzlich einladen möchten.

Die Präsentationen der Vorträge können auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.