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Forum Versicherungsrecht am 1. März 2023: Sanctions

Das erste Forum Versicherungsrecht des Jahres 2023 fand am 1. März als Hybridveranstaltung im Haus der Universität und online via Zoom statt. Die Direktoren freuten sich über eine Teilnehmendenzahl von insgesamt 130 Personen.

Referierende:

  • Dr. Carolin Schilling-Schulz, LL.M. (Hamburg), Rechtsanwältin und Partnerin, ARNECKE SIBETH DABELSTEIN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, Hamburg
  • Urs Alexander Mayer, Rechtsanwalt, Senior Compliance Manager, Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, München

Weitere Informationen können sie dem Flyer zur Veranstaltung entnehmen.

Hier finden Sie die Präsentationen zu den einzelnen Vorträge:

Schilling-Schulz – Die Russland-Sanktionen (der EU / USA) und ihre Auswirkungen auf die Versicherungswirtschaft

Mayer – Auswirkungen von Sanktionen (der EU / USA) auf die Wertschöpfungskette der Versicherungswirtschaft

Nach einer kurzen Begrüßung durch Prof. Dr. Dirk Looschelders begann Schilling-Schulz mit ihrem Vortrag „Die Russland-Sanktionen und ihre Auswirkungen auf die Versicherungswirtschaft“. Die seit dem alten Athen existierenden Sanktionen seien heute ein Werkzeug der Außen- und Sicherheitspolitik, um Frieden zu schaffen und zu halten. Dabei gelte in der EU das Prinzip der „smart sanctions“, also der gezielten Bestrafung. Dies geschehe durch die Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegen Staaten(-gemeinschaften), Organisationen oder Individuen, die den Krieg verursachen oder fördern.

Die EU-Sanktionen gegen Russland beruhten auf der Verordnung (EU) Nr. 883/2014 vom 31. Juli 2014, die erst vor kurzer Zeit um ein neues Sanktionspaket ergänzt worden seien. Sie gelten für alle EU-Bürger innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union, ebenso für juristische Personen und Organisationen oder Einrichtungen, die einen Bezug zu Geschäften in der EU aufweisen. Versicherungsverbote seien grundsätzlich nicht explizit aufgeführt, jedoch als Annex zu der „Bereitstellung von Finanzmitteln und -hilfen in Zusammenhang mit sanktionierten Gütern“ im Sinne von Art. 1 lit. o) i.V.m. Güterverbot EU VO 883/2014 zu sehen. Gleiches gelte für Versicherungsvermittlungsverbote, deren normative Anknüpfung in Art. 2 EU VO 883/210 i.V.m. Art. 1 lit. d) Güterverbot EU VO 883/2014 zu sehen sei. Einen Ausnahmefall davon bilden unter anderem eigenständig geregelte Versicherungsverbote im Hinblick auf Güter und Technologien und in Art. 3c Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang XI für Flugzeuge zur Verwendung in Russland geregelt seien. Weiterhin gelte nach Art. 5a EU VO 833/2014 ein Vertragsabschlussverbot für Versicherungsverträge mit regierungsnahen Personen und Einrichtungen sowie gemäß Art.  1 lit. o) EU VO 883/2014 ein Auszahlungsverbot für (Rück- )Versicherungsleistungen.

Insbesondere beleuchtete Schilling-Schulz den Ölpreisdeckel aus EU VO 2022/2367 vom 03. Dezember 2022. Aus den FAQs ergebe sich zum einen ein Verbot der Leistung im Zusammenhang mit dem Handel mit Dritten, zum anderen aber auch ein Versicherungsvermittlungsverbot. Ausnahmen davon bestünden, wenn der Einkaufspreis je Barrel nicht über dem in der Verordnung festgelegten Preis liege, wenn es sich um den Grundbedarf des Käufers handele oder humanitäre Projekte damit gedeckt würden. Der Anknüpfungspunkt für Versicherer seien positive Kenntnis oder vernünftige Gründe zur Annahme, deren Bestehen sie anhand eines Nachweises für fünf Jahre bewahren müssten. Als Alternative käme die Erstellung von Sanktionsklauseln in Betracht. Problematisch seien bereits laufende Verträge, welche nur durch nachträgliche Vertragsergänzungen angepasst werden könnten.

Abschließend befasste sich Schilling-Schulz mit den zivilrechtlichen Wirkungen von Sanktionen, die in den Verordnungen nicht geregelt seien. Daher sei es Aufgabe des nationalen Gesetzgebers, diese auszuformen. Anknüpfungspunkt dafür könnten nach deutschem Recht §§ 134, 139 und 138 BGB sein, denen europäische Verordnungen aufgrund ihrer direkten Wirkung unterfielen. Völkerrechtliche Sanktionen erfüllten dieses Kriterium nicht, sodass diese neben den Sanktionen des UN-Sicherheitsrates nicht darunter zu fassen seien. Ebenso sei ausländisches Recht zwar nicht vom Anwendungsbereich des § 134 BGB, dafür aber von § 138 BGB erfasst. Je nach Sanktion sei der Vertrag als (teil-)nichtig zu qualifizieren oder zwar wirksam, aber nicht erfüllbar. Außerdem gebe es strafrechtliche Folgen zu beachten, denen der Versicherer durch Sanktionsklauseln entgehen könne.

Im Anschluss referierte Mayer zu dem Thema „Auswirkungen der Sanktionen (der EU / USA) auf die Wertschöpfungskette in der Versicherungswirtschaft“. Nach einem kurzen Überblick über die aktuelle Sanktionsbetroffenheit von 25 Ländern auf der Welt, die insbesondere das aktive Geschäft und die Rückversicherung beträfen, folgten Ausführungen zu dem Einfluss der US-Sanktionen. Diese umfassten unter anderem das Verbot der Nutzung des US-Dollars, die Gefahr für US-Vermögenswerte und Restriktionen bezüglich des Zugangs zu US-Märkten. Außerdem könnten die Sanktionen auch Auswirkungen auf die Einflussnahme auf US-Töchter und Zweigniederlassungen haben, sowie Restriktionen bei Geschäftstätigkeiten mit US-Personen oder -Gesellschaften und Strafzahlungen zur Folge haben. Ziel der Sanktionen seien aus seiner Sicht – in Ergänzung zu den zuvor genannten – die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, Maßnahmen gegen Cyberangriffe, die Bekämpfung der Verbreitung und des Einsatzes chemischer Waffen, die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen sowie länderspezifische Sanktionsmaßnahmen. Die Finanzsanktionen seien in Listungen, die durch sogenannte Screenings erfolgten, sektorale Sanktionen und Reputationsrisiken zu gliedern.

 

Schwerpunktmäßig ging Mayer auf die Due-Diligence Anforderungen an die Versicherer ein. Diese müssten den Sanktionsgesetzen entsprechen, um nicht zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen zu unterliegen. Bei Verstößen gegen Sanktionsgesetze könnten (Rück-)Versicherer wegen eines gesetzlichen Verbots nicht zahlen, unabhängig von einer Sanktionsklausel, wenn solche Sanktionen gesetzlich „anwendbar“ seien. Als Sanktion bei Nichterfüllung der Due-Dilligence-Anforderungen sei insbesondere die Verhängung von Geld- oder Verwaltungsstrafen zu nennen. In Deutschland ist beispielsweise auf Grundlage des § 18 Abs. 1 AWG sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorgesehen. Daneben träten weitere wirtschaftliche Nachteile, wie zum Beispiel Marktzugangsverbote. Mayer betonte, dass eine Verschärfung der Regelungen zur Verhängung von Geld- und Verwaltungsstrafen auf der EU-Ebene zu erwarten sei.

Als Verhaltensanforderungen an die Versicherer nannte Mayer unter anderem die Erstellung von Unternehmensleitlinien zum Umgang mit Sanktionen und Embargos, die durch konkretere Richtlinien ergänzt würden, angemessene Prozesse in der sog. First Line inklusive interner Kontrollmaßnahmen und das Screening der relevanten Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Speziell für das Underwriting sei an erster Stelle eine Überprüfung beteiligter natürlicher oder juristischer Personen durchzuführen und im Zweifelsfall ein Expertenrat zu bestellen, bevor in offener Diskussion mit dem Versicherungsnehmer über die Bestätigung der Beachtung von Sanktionen zu verhandeln sei. Bei sogenannten „Touchpoints“ zu Sanktionen – wie beispielsweise der Ansässigkeit des Versicherungsnehmers in Russland – sei eine kritische Überprüfung vorzunehmen. Diese Überprüfung umfasse die sorgfältige Prüfung der Beteiligten des jeweiligen Geschäfts, den Ausschluss von kritischen Exposures und die Ablehnung als ultima ratio.

Abschließend befasste sich Mayer mit der Bedeutung von Sanktionsklauseln als Due Diligence-Maßnahme.  Diese ermittelte er anhand der sanction limitation and exclusion clause (LMA3100), nach der ein (Rück-)Versicherer nicht zur Deckung, Zahlung oder Leistung verpflichtet werden kann, soweit er dadurch einer Sanktion ausgesetzt wäre. In diesem Rahmen beleuchtete er anhand eines Fünf-Stufen-Tests die Prüflogik im Underwriting anhand der General Sanction Rules.

Traditionell wurde die Veranstaltung durch eine angeregte Diskussion der Teilnehmenden und Referierenden geschlossen.

Das nächste Forum Versicherungsrecht findet am 15. Juni 2023 wieder in hybrider Form im Haus der Universität und online via Zoom statt, wozu wir Sie herzlich einladen möchten.

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