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Frontansicht von Schloss Mickeln

Online: Forum Versicherungsrecht am 14.06.2021: Covid-19 und Betriebsschließungsversicherung

Das zweite Forum Versicherungsrecht des Jahres mit dem Thema „Covid-19 und Betriebsschließungsversicherung“ veranstaltete das IVR am 14.6.2021 über Zoom. Vor rund 100 Teilnehmern boten Dr. Henning Schaloske, Rechtsanwalt und Partner, sowie Dr. Boris Derkum, Rechtsanwalt und Senior Associate, beide Clyde & Co Europe LLP, Düsseldorf, einen umfassenden Einblick in die Entwicklung der Rechtsprechung zur Betriebsschließungsversicherung angesichts der Covid-19-Pandemie.

Schaloske leitete die Thematik mit einem allgemeinen Überblick über das Pandemiegeschehen ein und stellte dabei sowohl die Entwicklung der weltweiten Infektionsmaßnahmen sowie die darauf reagierenden nationalen Maßnahmen vor. Durch die Coronavirus-Meldepflichtverordnung vom 1.2.2020 sei der Covid-19-Erreger am 23.5.2020 in die §§ 6, 7 IfSG aufgenommen worden und damit seither als meldepflichtige Krankheit zu qualifizieren. Daneben seien zahlreiche staatliche Maßnahmen zur Pandemieeindämmung getroffen worden, wie beispielsweise staatliche Unterstützungsleistungen für das Gewerbe oder Regelungen zum „Social-Distancing“, was letztlich in einer wesentlichen Einschränkung des Gastgewerbes mündete: Restaurants konnten lediglich „Take-Away“-Möglichkeiten anbieten, Hotels durften nur Geschäftsreisende beherbergen. Diese Maßnahmen hätten zu einer erhöhten Inanspruchnahme von Betriebsschließungsversicherungen geführt, die neben der Rückversicherung, der Sach- und Ertragsausfallversicherung, der Veranstaltungsausfallversicherung, der Rechtsschutzversicherung, zu den maßgeblichen Versicherungszweigen zähle.

Schaloske führte an, dass es sich bei der Betriebsschließungsversicherung um eine Ertragsausfallversicherung handele, deren versichertes Ereignis eine behördliche Maßnahme sei. § 1 Nr. 1 a), 2 AVB BS 2002 verweist im Wege einer primären Leistungsbeschreibung auf §§ 6, 7 IfSG, die den Versicherungsfall durch einen Katalog von Krankheiten und Erregern weiter konkretisieren. Problematisch sei jedoch, dass weder „Covid-19“ noch „Sars-Cov-2“ vor dem 23.5.2020 in diesem Katalog genannt worden seien. Daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten befänden sich aktuell noch in der Erst- oder Berufungsinstanz. Entscheidungen des BGH erwarte man nicht vor 2022.

An erster Stelle der damit korrelierenden Streitigkeiten stehe laut Derkum die Frage, ob das Coronavirus als meldepflichtige Krankheit von den Versicherungsbedingungen der Betriebsschließungsversicherung erfasst sei. Die Mehrheit der LG habe dies bei fehlender ausdrücklicher Benennung verneint. Derkum führte dazu an, dass die Bezugnahme der AVB auf den Katalog der §§ 6, 7 IfSG vornehmlich nicht dynamischer sondern nur statischer Natur sei. Jedenfalls sei selbst bei Annahme einer dynamischen Verweisung kein Einschluss vorhanden. Auch der Prionenausschluss des § 3 Nr. 4 AVB BS 2002, solle den abschließenden Katalog nicht wieder öffnen, da dieser Ausschluss die sekundäre Ebene betreffe und nicht die primäre Leistungsbeschreibung der §§ 6, 7 IfSG erweitere. Auch wenn dem Interesse des Versicherers an einer abschließenden Definition der versicherten Gefahr die Erwartungen des Versicherungsnehmers auf Absicherung auch gegen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie entgegenstünden, spreche das Gesetz der großen Zahl für die abschließende Formulierung des Kataloges, was laut Derkum auch einer AVB-Kontrolle standhalte.

Dem angeschlossen widmete sich Derkum der Frage, ob die Krankheit als intrinsische Gefahr im Betrieb selber ausgebrochen sein müsse oder es genüge, wenn der Erreger außerhalb grassiert. Derkum deutete an, dass es sich beim Coronavirus eher um ein unternehmerisches Risiko handle, welches durch präventive behördliche Maßnahmen in die Betriebe hineinwirke. Dem habe sich auch das OLG Schleswig im Urteil vom 10.5.2021, 16 U 26/21 angeschlossen und ausgeführt, dass die Betriebsschließungsversicherung nur dem Schutz konkret im Betrieb auftretender Gefahren diene und jedenfalls nur eine Spanne von etwa 30 Tagen abdecke, mithin keine mehrmonatigen Schließungen.

Auch sei diskutiert worden, wann eine bedingungsgemäße Betriebsschließung vorliege. Unproblematisch sei dies jedenfalls bei vollständigen Schließungen gewesen. Derkum wies aber darauf hin, dass zahlreiche Gastronomiebetriebe durch Liefer- und Abholangebote oder Hotelbetriebe mit nichttouristischen Gästen nicht vollständig, sondern nur teils geschlossen waren, unabhängig davon, dass es finanziell bisweilen einer faktischen Schließung gleich stünde. Systematisch betrachtet sei eine Betriebsschließung mit einem Tätigkeitsverbot vergleichbar, das gegen sämtliche Betriebsangehörigen wirke. Daran fehle es gerade bei Teilschließungen. Urteile, wie das des LG Mannheim vom 29.4.2020, 11 O 66/20, die eine faktische der tatsächlichen Schließung gleichstellten, seien in höheren Instanzen aufgehoben worden.

Weiterhin widmete sich Derkum dem Umfang des versicherten Ertragsausfalls. Differenzieren müssten die Urteile hier zwischen einer Versicherungsleistung in Form einer Taxe als Entschädigung oder der Zahlung einer Pauschale. Daneben hätten sich Streitfragen bei der Anrechnung der Unterstützungsleistungen oder Erträge der teilweisen Fortführung aufgetan. Rechtsstreitigkeiten um eine zweite Auszahlung nach einer weiteren Schließung in der zweiten Corona-Welle seien zugunsten der Versicherer zu entscheiden, da auch die folgenden Wellen jedenfalls auf den gleichen Umständen beruhen.

Abschließend thematisierte Schaloske die Schadensaggregation in der Rückversicherung. Hier sei zu differenzieren, ob die Pandemie als Gesamtursache von Versicherungsereignissen oder vielmehr das einzelne Ereignis in Form lokal begrenzter Maßnahmen zu betrachten ist. Bei letzterer Auslegung schließe sich weiterhin die Frage an, ob auf die Bundes- oder Landesebene abzustellen ist.

Hinsichtlich des Ausblicks in die Zukunft deutet Schaloske an, dass insbesondere die neuen GDV-Musterbedingungen eine überarbeitete Definition der versicherten Krankheiten enthielten, um so auf die Herausforderungen der Pandemie zu reagieren. Auch die mögliche Einführung einer Pandemieversicherung zeigte Schaloske auf, verwies aber auf sehr hohe flächendeckende Schadensbelastungen und die Grenzen des Prinzips der Versicherung. Zur Debatte stünde neben dieser Neuschaffung beispielsweise noch eine Absicherung durch Public-Private-Partnerships.

Im direkten Anschluss entwickelte sich eine lebhafte und vielseitige Diskussion zwischen den Referenten und den Teilnehmenden.

Weitere Informationen zu der Veranstaltung und die Präsentation der Vortragenden finden Sie hier.

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