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Forum Versicherungsrecht am 13.06.2024: Versicherungskartellrecht

Das zweite Forum Versicherungsrecht im Jahr 2024 fand am 13. Juni zum Thema „Versicherungskartellrecht“ in hybrider Form in Präsenz im Haus der Universität und online via Zoom statt. 

Hier finden Sie die Vorträge der Referenten:

Nach einer kurzen Begrüßung der rund 100 Präsenz- und Onlineteilnehmenden durch Prof. Dr. Dirk Looschelders betonte dieser die Seltenheit des Themas bei den Forenveranstaltungen des IVR. Aufgrund verschiedener Gesetzesnovellen sei es zu Änderungen gekommen, über die berichtet und informiert werden sollte. Zu diesem Zweck konnten renommierte Referenten gewonnen werden, die jeweils mit eigenem Schwerpunkt zum Thema „Versicherungskartellrecht – Relevanz der jüngsten Novellen für die Branche“ referierten.

Zuerst begann Dr. Thomas Hellebrandt, LL.M. (Montréal), Abt.-Dir. Recht / Chief Compliance Officer, Deutsche Rückversicherung AG / Verband öffentlicher Versicherer e.V., und stieg damit ein – wie er selbst formulierte – das Thema mit Fokus auf die „alte Welt“ zu beleuchten. Daraufhin folgte Dr. Markus Wirtz, LL.M. (Nottingham), Rechtsanwalt / Partner / Competition, Glade Michel Wirtz Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, welcher die Formulierung seines Vorredners aufgriff und sich unter dem Schwerpunkt „Digitalisierung und ESG-Kooperationen“ auf die „neue Welt“ fokussierte.

Hellebrandt eröffnete seinen Vortrag mit einer Gegenüberstellung der Real- mit der Versicherungswirtschaft und stellte fest, dass die Versicherungswirtschaft mit ihrem „unsichtbaren Produkt“ und der langfristigen Vertragsbindung (nur eine Auswahl) grundsätzlich große Unterschiede zur Realwirtschaft aufweise. Des Weiteren ließe sich ein Trend abzeichnen, der neue Risiken (z.B. PFAS) und eine erhöhte Frequenz von Schadensereignissen als auch größere Schadenssummen (Stichwort Klimawandel und Cyber) umfasse. Des Weiteren stehe bei der Versicherungswirtschaft ein öffentliches Interesse im Vordergrund, welches ein besonderes Zulassungsverfahren und eine laufende Aufsicht mit stetig wachsenden Vorgaben mit sich bringe. Außerdem hob Hellebrandt hervor, dass in der Versicherungsbranche ein spezifischer Kooperationsbedarf bestehe.

Anschließend widmete sich Hellebrandt zunächst allgemein den verschiedenen aufsichts- und kartellrechtlichen Regulierungen und zog als Fazit, dass eine „(aufsichts-)rechtliche und (versicherungs-)wirtschaftliche Gesamtschau“ bei der Kooperationsbewertung geboten sei. Daraufhin ging es um die speziell branchenrelevanten Regelungen. Dabei stellte Hellebrandt fest, dass es zwar an dedizierten Sonderregelungen fehle bzw. es nur wenig Versicherungsspezifisches in den Leitlinien gebe. In Bezug auf einzelne Aspekte seien diese dennoch überwiegend hilfreich. Sodann ging er im Detail auf die verschiedenen Kooperationsformen im Bereich der horizontalen Kooperationen ein. Dabei stellte er insbesondere das Signalling aus dem Bereich des Informationsaustauschs als problembehaftet heraus und griff diesen Punkt wenig später bei seinem letzten Abschnitt zu den Compliance-Aspekten für die Vorstandshaftung wieder auf.

Nach einer kurzen Vorstellung des nächsten Referenten Herrn Dr. Wirtz ging es nahtlos mit dessen Vortrag weiter. Bereits eingangs hob Wirtz die gestiegene Bedeutung von Daten und Nachhaltigkeitsfragen für die Versicherungswirtschaft hervor. Des Weiteren sei die klassische Kartellrechtsdogmatik und die Dauer der Verfahren (nur eine Auswahl) mit den Herausforderungen im Umgang mit Big Tech-Unternehmen schwer in Einklang zu bringen. Dies zeige sich insbesondere in der Reaktion der EU auf die kartellrechtliche Behördenpraxis durch den „zügigen“ Erlass allgemeiner und sektorspezifischer Verordnungen, wie z.B. dem DMA, DGA, DSA, Data Act oder dem Entwurf zur FIDA-VO.

Erster Schwerpunkt seines Vortrags war die „Zusammenarbeit von Wettbewerbern in Datenpools“. Dabei ging es um die schwierige Abgrenzung von kartellrechtlich verbotenen – da potenziell wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen, entweder durch die Förderung von Kollusionsergebnissen oder durch Marktabschottung – und erlaubten, ggf. sogar wünschenswerten, Praktiken (z.B. wegen steigender Effizienz oder Verbesserung des Produkts). Im Rahmen der Abgrenzung stelle sich unter anderem die Frage, wie sensibel die einzelnen Daten sind und ob der Austausch zu einem legitimen Zweck erfolgt bzw. notwendig ist. Beispielsweise seien Rohdaten jedenfalls im Vergleich zu verarbeiteten Daten weniger sensibel. Beim Zugang zu Datenpools sei folgender Grundsatz zu erkennen: Je höher die Marktabdeckung seiner Mitglieder ist und je strategisch wichtiger die Daten für die (potenziellen) Wettbewerber sind, desto eher ist dieser zu gewähren. Ein allgemeingültiger Katalog existiere allerdings nicht, es ließen sich vielmehr Fallgruppen bilden, die sowohl zu einem positiven als auch negativen Ergebnis hinsichtlich des Zugangs kämen.

Weiter ging es mit dem Thema „Kooperationen zur Realisierung von Digitalisierungsprojekten“. Wirtz stellte auch hier Aspekte gegenüber, die für und gegen die Erlaubnis von Kooperationen sprechen. Besonderheiten gelten auch im Bereich von ESG- bzw. Nachhaltigkeitskooperationen. Als weiteren Ausblick zu diesem Aspekt nannte Wirtz die kommende 12. GWB-Novelle. Danach folgten allgemeine Ausführungen zum Einsatz von KI und Algorithmen im Kartellrecht, beispielhaft seien hier Preisbeobachtungs- und Preisanpassungssoftwares zu nennen. Es stelle sich auch die Frage einer Beobachtungspflicht, insbesondere auch hinsichtlich eines möglichen Selbstlernprozesses eines Algorithmus, der Wettbewerbsbeschränkungen eigenständig herbeiführen könne. Für die Versicherungsbranche könne dies bezüglich der Überwachung von Makler- und Vertriebspreisen relevant sein. Seinen Vortrag schloss Wirtz mit Worten zum neuen Digital Markets Act (DMA). Dabei komme die Versicherungswirtschaft nicht als Gatekeeper, sondern vielmehr als Nutzer und damit als Anspruchsinhaber in Betracht.

Traditionell wurde die Veranstaltung durch eine von Prof. Dr. Lothar Michael initiierte Diskussion der Teilnehmenden und der Vortragenden bei einem anschließendem Get-together geschlossen.

Schon jetzt möchten wir Sie auf den 17. Düsseldorfer Versicherungsrechtstag am 24. und 25. Oktober 2024 hinweisen. Das nächste Forum findet am Montag, den 9. September 2024 in Präsenz im Haus der Universität und online via Zoom statt, wozu wir Sie herzlich einladen möchten.

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