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Frontansicht von Schloss Mickeln

Online: Forum Versicherungsrecht am 23.09.2020: Juristische Einschätzung zur Abschaffung "ewiger" Lösungsrechte bei Versicherungsverträgen

Das letzte Forum Versicherungsrecht des Jahres fand am 23.09.2020 erneut online über Zoom statt. Die Referenten Prof. Dr. Dirk Looschelders, Prof. Dr. Lothar Michael und Prof. Dr. Heiko Sauer präsentierten vor rund 90 Teilnehmern ihre „Juristische Einschätzung zur Abschaffung „ewiger“ Lösungsrechte bei Versicherungsverträgen“. Hintergrund des Vortrags ist ein Gutachten, das zuvor vom GDV in Auftrag gegeben wurde.

Looschelders begann die Veranstaltung mit einem Aufriss der privatrechtlichen Grundlagen. Er stellte fest, dass sowohl bei Altverträgen (vgl. EuGH v. 19.12.2013, Rs. C-209/12 – Endress), abgeschlossen zwischen dem 29.07.1994 und 31.12.2007, gem. §§ 5a, 8 V VVG a.F. als auch bei Neuverträgen, geschlossen ab dem 01.01.2008, gem. § 8 VVG ein ewiges Widerrufsrecht für Verbraucher bei fehlerhafter oder fehlender Widerrufsbelehrung bestehe. Diese Situation sieht er im Hinblick auf die Systemwidrigkeit ewiger Lösungsrechte im deutschen Zivilrecht als reformbedürftig an. In diesem Zusammenhang kritisierte er die vom EuGH entwickelte Einschränkung des ewigen Lösungsrechts, für die nach dem Gewicht des Fehlers differenziert werde (EuGH v. 19.12.2019, verb. Rs. C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18). De lege ferenda könne die Problematik durch eine Höchstfrist für die Widerrufserklärung gelöst werden. Anzudenken sei dabei eine Übergangsfrist von 12 Monaten für Alt-Verträge bis das endgültige Erlöschen eintrete.

Anschließend widmete sich Michael der verfassungsrechtlichen Bewertung einer Befreiung von Altverträgen vom ewigen Lösungsrecht. Dabei handele es sich um ein Problem der unechten Rückwirkung, welche unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes verfassungsgemäß sein könne. Im Rahmen der Abwägung stünde auf der einen Seite das Vertrauen des Versicherungsnehmers in die rechtliche Möglichkeit eines Widerrufs und dessen gewerblicher Verwertung. Demgegenüber bestehe insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit ein öffentliches Interesse an einer rückwirkenden Befristung von Widerrufsrechten auf Altverträge. Michael ist der Ansicht, dass eine Übergangsfrist von 12 Monaten den Interessen der Widerrufsberechtigten genügend Rechnung trage und eine Reform demnach verfassungsgemäß sein würde.

Darauffolgend referierte Sauer über die unionsrechtlichen Aspekte der Befristung ewiger Lösungsrechte. Hierbei stellte er klar, dass ein alleiniges Tätigwerden auf nationaler Ebene nicht ausreichen würde, um eine Höchstfrist einzuführen. Vielmehr müsse eine unionsrechtliche Änderung der Solvency II-Richtlinie erfolgen. Eine solche Änderung betreffend ewiger Lösungsrechte in Altverträgen ließe sich unionsrechtlich als eine „Rückanknüpfung“ einordnen, welche grundsätzlich zulässig sei, es sei denn, es stünden Vertrauensschutzbelange entgegen. Auch Sauer wog hierbei öffentliche Belange wie die Rechtssicherheit oder wirtschaftliche Risiken für die Stabilität des Versicherungssektors mit dem Aspekt des Vertrauensschutzes der Versicherungsnehmer ab. Auf Grundlage der früheren EuGH-Rechtsprechung wertete auch er eine Übergangsfrist von 12 Monaten als vermittelnde und zulässige Regelung.

Die Veranstaltung schloss wie gewohnt mit einer lebhaften Diskussion zwischen Teilnehmenden und Referenten.

Das ausführliche Gutachten wird in einem Tagungsband der Düsseldorfer Schriftreihe veröffentlicht.

Weitere Informationen und Unterlagen zur Veranstaltung sind hier verlinkt. 

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