Zum Inhalt springenZur Suche springen
Frontansicht von Schloss Mickeln

Online: Forum Versicherungsrecht am 18.08.2020: Rechtsschutzversicherung

Das erste online ausgerichtete Forum Versicherungsrecht fand am 18. August 2020 statt. Per Zoom nahmen über 80 Teilnehmer an der Veranstaltung zum Thema „Rechtsschutz“ teil.

Den ersten Vortrag der Veranstaltung hielt Sascha Piontek, Richter am OLG Hamm. Anhand mehrerer Entscheidungen präsentierte er den Teilnehmenden die neueren Entwicklungen in der Rechtsschutzversicherung.

Die erste Entscheidung drehte sich um die Fragestellung, was als „erforderlich“ i.S.d. § 125 VVG angesehen wird. Die Richter des AG Stuttgart (1 C 3954/19) stellten klar, dass an die Erforderlichkeit i.S.v. § 1 ARB 2010 bei der Wahrnehmung rechtlicher Interessen ein großzügiger Maßstab anzulegen sei: Objektiv notwendige Kosten seien demnach zu übernehmen; vermeidbare Kosten hingegen nicht zu ersetzen. Piontek kritisierte daran, dass § 1 ARB 2010 keine primäre Risikobeschreibung enthalte, sondern lediglich das abstrakte Risiko des VR beschreibe. Das Kriterium der Erforderlichkeit grenze daher nicht das primäre Leistungsversprechen des VR ein.

Daraufhin stellte Piontek heraus, dass die verschiedenen Kostenminderungsobliegenheiten, die in den unterschiedlichen ARB geregelt waren, immer wieder wegen Intransparenz von der obergerichtlichen Rechtsprechung verworfen wurden. Der VN – oftmals juristischer Laie – verfüge nicht über die nötige Fachkenntnis und wisse daher nicht, welches Verhalten gefordert sei, um die Obliegenheiten zu erfüllen und wann Rechtsschutz bestehe.

Im Urteil des BGH (IV ZR 279/17) lag der Fokus auf der Zurechnung von Anwaltsverschulden. Dieses könne dem VN weder über § 278 BGB, noch nach den Grundsätzen der Wissensvertretung oder Wissenserklärungsvertretung zugerechnet werden. Auch die Repräsentantenhaftung lehne der BGH ab. Der Anwalt nehme nur einzelne rechtliche Interessen des VN wahr und sei somit nicht mit der umfassenden Betreuung des Vertragsverhältnisses zum VR betraut. Im gleichen Zuge wurde § 17 Abs. 7 ARB 2010 als Zurechnungsnorm wegen unangemessener Benachteiligung des VN für unwirksam erklärt. Diese übertrage das Zurechnungsmodell des § 278 BGB auf die Obliegenheiten des VN und widerspreche damit den wesentlichen Grundgedanken der Regelung.

Bedenklich sei Piontek zufolge die Entscheidung des OLG Düsseldorf (4 W 38/19), die die Grundsätze Repräsentantenhaftung als gegeben ansah.

Im Anschluss widmete sich, aus Köln zugeschaltet, Martin W. Huff, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln, aktuellen Entscheidungen im Bereich Legal Tech. Die technischen Möglichkeiten würden dem Rechtsberatungsmarkt neue Geschäftsmodelle eröffnen, die allerdings der Prüfung anhand des RDG bedürfen würden.

Eine der Leitentscheidungen des BGH zu diesem Themenkomplex (VIII ZR 285/18) behandelte die Zulässigkeit eines Mietpreisrechners (Wenigermiete.de). Hier entschied der BGH zugunsten des Dienstleisters. Demnach sei das Angebot als zulässige Inkassodienstleistung nach § 10 RDG anzusehen, wobei der Begriff der Inkassodienstleistung großzügig ausgelegt werde. Huff betonte die kontroversen Reaktionen in der Literatur, die das Urteil nach sich zog, bezweifelte aber angesichts der Vielzahl vergleichbarer Folgeentscheidungen, dass der BGH von dieser Linie abweichen würde. Eine Entscheidung im Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen ein vorinstanzliches Urteil in dem Verfahren (1 BvR 526/19) stehe jedoch noch aus.

Die zweite Leitentscheidung – OLG Köln (6 U 263/19) zu dem Online-Vertragsgenerator smartlaw – befinde sich noch im Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof (I ZR 113/20). Nach Ansicht des OLG Köln handle es sich bei einem Vertragsgenerator nicht um eine Tätigkeit in fremder Rechtsangelegenheit i.S.d. § 2 RDG, da der Dienst keine individuelle Rechtsberatung ersetze.

Huff schlussfolgerte, dass die Anwaltschaft nun über Lösungen nachdenken sollte, welche die Möglichkeiten von Legal Tech in den Geschäftsbetrieb integrieren. Hieran bestehe ein erhebliches Interesse seitens der Verbraucher. Angesichts der weiten Auffassung des Begriffs der Inkassodienstleistung sieht Huff die Anwaltschaft unter einem enormen Konkurrenzdruck gegenüber nichtanwaltlichen Unternehmen. Er schlug daher vor, das Verbot der Erfolgshonorare für Anwälte zu lockern, um die Konkurrenzfähigkeit der Branche zu erhalten. Zur Vereinbarung solcher Honorare seien Mandanten durchaus bereit. Hier hält Huff eine Reform des § 49b BRAO und der entsprechenden RVG-Vorschriften für dringend erforderlich.

Trotz des neuen Rahmens entwickelte sich abschließend wie gewohnt eine angeregte Diskussion zwischen Referenten und Teilnehmenden.

Weitere Informationen und Unterlagen zur Veranstaltung sind hier verlinkt.

Verantwortlichkeit: