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Forum Versicherungsrecht am 11.12.2023: Legal Tech

Das letzte Forum Versicherungsrecht des Jahres 2023 fand am 11. Dezember zum Thema "Legal Tech" als Hybridveranstaltung im Haus der Universität und online via Zoom statt.

Referent der Veranstaltung:

  • Dr. Kai Goretzky, LL.M. (London), Partner / Head of Europe Insurance Regulatory, Dentons, Frankfurt 

Weitere Informationen zur Veranstaltung entnehmen Sie dem Flyer.

Für die Vortragsunterlagen wenden Sie sich bitte direkt an den Referenten. 

Nach einer kurzen Begrüßung der insgesamt 105 erschienen Präsenz- und Online-Teilnehmenden durch Prof. Dr. Dirk Looschelders begann Goretzky seinen Vortrag „Legal Tech – Geschäftsmodelle, rechtliche Rahmenbedingungen und Schnittstellen zu Versicherern – Konkurrenz oder Kooperation?“.

Zunächst definierte Goretzky Legal Tech als eine Kombination aus Legal Services und Technology im Rahmen eines Geschäftsmodells, welche die Automatisierung juristischer Tätigkeiten bewirkt. Anschließend stellte er die Anwendungsfälle von Legal Tech vor. Dabei unterteilte er die Anwendung von Legal Tech in drei Hauptgruppen: Masseverfahren, Rechtsberatungsportale und Schadenregulierung für Versicherer. Diesen Gruppen sei gemeinsam, dass durch die Anwendung von Legal Tech eine deutliche Zeitersparnis durch die Automatisierung von Standardaufgaben sowie eine erhebliche Arbeitserleichterung zu verzeichnen sei.

Weiterhin ging Goretzky auf die rechtlichen Rahmenbedingungen von Legal Tech ein und arbeitete dabei vor allem das Spannungsfeld zwischen der Erbringung einer „Rechtsdienstleistung“ im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes und der Leistungserbringung durch Legal Tech Unternehmen heraus. Dafür zog er das maßgebende „Smartlaw-Urteil“ heran und erläuterte die zugunsten des Legal Tech Business liberale Auffassung des BGH. Dieser sehe in der softwarebasierten Erstellung von Verträgen im Frage-Antwort-System keine unerlaubten Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1, 3 RDG. Gründe dafür seien insbesondere die Vergleichbarkeit des Vertragsgenerators „Smartlaw“ mit einer Formularsammlung und das unterbleibende Tätigwerden im konkreten Einzelfall.

Am Beispiel von ChatGPT erörterte Goretzky, dass die Grenze zu einer individuellen Rechtsberatung im Einzelfall überschritten werde und die Nutzung eines solchen Tools somit eine Rechtsdienstleistung darstellen könne und folglich dem RDG zu unterwerfen sei. Dies begründete er vor allem mit den wesentlichen Unterschieden zwischen einer regelbasierten Software, wie dem Programm „Smartlaw“, und einer klassischen KI, wie ChatGPT. Im Gegensatz zur „Smartlaw“-Software könnten bei ChatGPT auch Rechtsfragen abseits der vorprogrammierten Schemata beantwortet werden, womit es sich demnach um eine Einzelfallberatung handele. Ein Erlaubnistatbestand nach § 5 RDG oder § 6 RDG sei ebenfalls nicht einschlägig.

Im Kontext des anwaltlichen Berufsrechts sei Legal Tech als Ausgleich der Wettbewerbsbedingungen zwischen Anwaltschaft und Legal Tech Unternehmen zu sehen und führe zur Veränderung der bisherigen Vorgaben.

Abschließend stellte Goretzky zwei bedeutende Anwendungsbereiche von Legal Tech in der Versicherungsbranche dar:

Der erste bedeutende Anwendungsbereich sei die Ausgliederung von Rechtsdienstleistungen. Laut BGH (BGH, Urteil vom 14.01.2016 – I ZR 107/14) stelle die Schadenregulierung von Versicherungsmaklern im Auftrag eines Versicherungsunternehmens eine Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG dar. Die Frage, ob das Schadensunternehmen auch ein Legal Tech Unternehmen sein kann, beantwortete er zustimmend; stellte dies jedoch unter die Bedingung, dass das Unternehmen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 VAG erfülle.

Der zweite große Bereich des Einsatzes von Legal Tech in der Versicherungsbranche sei die Kundenberatung mithilfe von KI in Form von Chatbots. Dabei müssten weiterhin die Kriterien des VVG Beachtung finden. Goretzky betonte die außerdem nach wie vor bestehende zu erfüllende Beratungspflicht. Die KI müsse für ihren erfolgreichen Einsatz daher in der Lage sein, den Bedarf von Versicherungsunternehmern zutreffend zu ermitteln und auf Nach- oder Verständnisfragen, Widersprüche und Irrtümer angemessen zu reagieren. Dafür müsse der Umfang der Beratungspflichten anlassbezogen erfolgen. Darüber hinaus ergäben sich weitere neue Geschäftsfelder durch den Einsatz von KI bei der Kundenberatung, beispielshaft im Bereich Underwriting und Produktentwicklung.

Seine im Titel aufgeworfene Frage beantwortete Goretzky dahingehend, dass Legal Tech Unternehmen mit traditionellen Anbietern gleichermaßen konkurrieren und kooperieren. Resümierend prognostizierte er, dass Legal Tech Unternehmen künftig von der in Entstehung befindlichen KI-Regulierung auf europäischer Ebene adressiert und weitere Änderungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes zu erwarten seien. Außerdem müssten sich Legal Tech Unternehmen nach seiner Ansicht künftig auch an den allgemeinen Vorgaben des VVG und VAG messen lassen.

Traditionell wurde die Veranstaltung durch eine von Prof. Dr. Lothar Michael angeregte Diskussion der Teilnehmenden und des Referenten geschlossen.

Das nächste Forum findet am 15. Februar 2024 im Haus der Universität und online via Zoom statt, wozu wir Sie herzlich einladen möchten.

Verantwortlichkeit: